Verband für landwirtschaftliche Fachbildung in Bayern e.V.

Die Organisation für Aus-, Fort- und Weiterbildung im Agrarbereich

Projekt-Auftakt beim vlf Neumarkt

vlf Neumarkt  startet Projekt „Stadt-Land-Frust? Nein danke!“

Ein Quadratmeter Weizenfeld macht am Ende wie viel Gramm Brot oder wie viele Semmeln? Was bringt es, wenn der Bauer den Mais quer zum Hang ansät? Fragen, die sich wohl die meisten Verbraucher bisher nicht gestellt haben, und doch möchte man auf die Antwort nicht verzichten. Es ist wie bei den Wissens-Magazinen im Fernsehen, nur eben live in herrlicher Natur. Wie kommt es zur wundersamen Ähren-Vermehrung, wenn aus 400 gesäten Weizenkörnern schließlich 600 Halme sprießen? Und wer weiß, warum die Cultan-Düngung das Grundwasser schont?

Stefan Haschke mit vlf Geschäftsführer Johann Paulus bei der Feldführung. Feldschilder erklären dem Verbraucher, was hier wächst.
Foto: vlf Bayern

Stefan Haschke mit vlf Geschäftsführer Johann Paulus bei der Feldführung. Feldschilder erklären dem Verbraucher, was hier wächst. Foto: vlf Bayern

Beim Rundgang durch die Flur zwischen seinem Heimatort Labersricht und Pilsach schlägt Landwirt Stefan Haschke den Ottonormalverbraucher und die Ottonormalverbraucherin schnell in seinen Bann. Genau das ist ja auch Sinn und Zweck der Führungen "Tier und Natur auf der Spur", die Ende Mai mit Landrat Willibald Gailler und fast allen Bürgermeistern des Landkreises ihren Auftakt am Neumarkter Stadtrand feierten: "Dem Verbraucher unsere Landwirtschaft ehrlich und authentisch darstellen - weg von der Bilderbuch- und auch Schulbuch-Romantik", erklärt Josef Hierl, der Kreisvorsitzende des vlf Neumarkt.

Als einer von vier vlf-Kreisverbänden in Bayern beteiligen sich die Neumarkter an dem Projekt „Stadt, Land, Frust – Nein, Danke!“ des vlf Landesverbandes. „Nehmt doch die Leute einfach mit aufs Feld, mit in den Stall!“, vlf-Geschäftsführer Johann Paulus hat sich mächtig ins Zeug gelegt. Er konnte 30 Bäuerinnen und Bauern aus allen 19 Kreisgemeinden dazu bewegen, als "Guides" interessierte Bürger durch den eigenen Betrieb zu führen. Auch ein Schäfer ist dabei. Die Anmeldungen zu den kostenlosen Schnupper-Touren laufen über die jeweiligen Kommunalverwaltungen.

Apropos schnuppern: "Landwirtschaft nicht nur zum Anfassen, sondern mit allen fünf Sinnen", verspricht Paulus zu Beginn, und das Premierenpublikum steht direkt vorm Kuhstall der Familie Haschke. Nicht jedermanns Geruch: "Aber wir wollen bei den Führungen natürlich auch die Problemfelder in der Landwirtschaft nicht aussparen", sagt Kreisvorsitzender Josef Hierl.

125 Hektar bewirtschaften die Haschkes vornehmlich rund um Labersricht, darunter einiges an Pachtland, dazu kommen noch zirka 75 Kühe. Das zweite Standbein neben dem Hof ist ein Lohnunternehmen.

Injektionen in den Boden- Auf der Feldführung bestaunt die Gruppe zunächst einen 15 Meter breiten Cultan-Injektor. Dessen Nadeln spritzen in einem Abstand von fünf bis acht Zentimetern punktuell Ammonium-Stickstoff ein, impfen also präzise den Boden und legen dort Nährstoff-Depots für die Pflanzen an. "Der Vorteil des Ammoniums ist, dass es sich nicht auswäscht und somit nicht zur Belastung des Grundwassers beiträgt", erklärt Haschke.

Weiter geht es auf ein Kleegras-Feld. Hier erfährt der Nicht-Landmann einiges über Fruchtfolge, Dauergrünland, Gülleverwertung und die Auswirkung des Grünfutters auf den Omega-3-Fettanteil der Kuhmilch. Dann darf der Deininger Bürgermeister mit dem Spaten eine Bodenprobe nehmen. "Gut durchwurzelt, das ist wichtig", so Johann Paulus mit Kennerblick auf die Sode. "Trotz der letzten Niederschläge noch immer zu trocken", schränkt Haschke ein.

Dann noch ein praktischer Tipp für jeden Gartler: Der 26-jährige Landwirt hält ein pH-Meter hoch, ein kleines Gerät zum Messen des pH-Werts im Boden. "Gibt es in jedem Baumarkt", sagt Paulus. Zwischen sechs und sieben sollte der Wert liegen.

Zehn Hektar Anbaufläche werden im Labersrichter Betrieb extensiv bewirtschaftet, seit acht Jahren. Das Problem: "Die Erträge haben zuletzt stark nachgelassen." Unten am künstlich angelegten Leitgraben geht es dann um Grünstreifen an Bachläufen. Paulus' Bitte an die Bürgermeister: "Viele Gemeinden nehmen solche Streifen zu früh im Jahr weg. Lasst sie doch länger stehen."

Rapsfeld und Blühstreifen - Jenseits des Bachs wartet ein Rapsfeld. Eine "Intensivfrucht", die fast 365 Tage auf dem Acker steht und aus der einerseits Öl gewonnen wird, andererseits als Futterquelle dient. Rapsschrot und Rapskuchen werden industriell hergestellt und kommen dann zur Verfütterung zurück an den Hof. Vor dem Raps ist ein Blühstreifen angelegt, was nicht nur die Insekten und Imker in der Umgebung freut, sondern auch das Auge. "Sie blühen vor allem auch von Juli bis September, wenn alle landwirtschaftlichen Hauptfrüchte schon verblüht sind", so Paulus.

Ein kleines Wäldchen spendet neben Schatten auch Brennstoff für Haschkes Hackschnitzelheizung. Auch hierzu interessante Zahlen: Der Wald in Bayern legt durchschnittlich zwölf Festmeter im Jahr zu, was in etwa einem Brennwert von 2400 Litern Heizöl entspricht. Über die "Marktfrüchte" Weizen und Mais geht es wieder hangaufwärts. Beim Mais wird Bergs Bürgermeister Peter Bergler skeptisch. Denn steht Mais am Hang, nehme Starkregen dort oft viel Erde mit. "Dagegen wirkt jeder Grashalm wie ein kleiner Staudamm." Also wenigstens an Erosionsschutz-Streifen denken, so Berglers Appell an die Landwirte. Der Rundgang endet im Kälber- und im Kuhstall. 50 Kilo futtert so eine Milchkuh am Tag, vor allem Gras. Dass in Krankheitsfällen mitunter Antibiotika zum Einsatz kommt, ist kein Geheimnis. "Wenn auch die Eutersalbe nichts mehr hilft."


Nicolas Damm, Neumarkter Nachrichten