Verband für landwirtschaftliche Fachbildung in Bayern e.V.

Die Organisation für Aus-, Fort- und Weiterbildung im Agrarbereich

Schule trifft Landwirtschaft

Landwirtschaftliche Betriebe als außerschulische Lernorte

„Wir müssen Kinder und Jugendliche und insbesondere die Schulen ansprechen!“ Dieser Satz fiel im Laufe der Planungen für das Projekt „Stadt-Land-Frust? Nein danke!“, das der vlf Bayern im Rahmen des Programms „Zusammenhalt durch Teilhabe“ derzeit durchführt, immer wieder.

Intensiver Austausch zwischen Lehrern und Landwirten beim vlf-Workshop
Foto: vlf Schweinfurt/Haßberge

Intensiver Austausch zwischen Lehrern und Landwirten beim vlf-Workshop Foto: vlf Schweinfurt/Haßberge

Die Schule ist ein wichtiger Schlüssel: zum einen sind vor allem jüngere Schüler in den allermeisten Fällen sehr begeistert von Landwirtschaft, zum anderen ist „Landwirtschaft und Ernährung“ ein wichtiges Unterrichtsthema. Und drittens werden über die Kinder auch die Eltern erreicht. Doch wenn dann das Thema „Schule und Landwirtschaft“ zur Sprache kommt, sind Vorbehalte von beiden Seiten vorhanden. „Lehrerinnen und Lehrer haben keine Ahnung und vermitteln nur theoretisches Wissen, das nichts mit unserer landwirtschaftlichen Praxis zu tun hat“ ist die vorherrschende Meinung in der Landwirtschaft. „Landwirte sind Massentierhalter und beuten den Boden aus“ ist häufig das Credo von Seiten der Lehrerschaft. Um diesen Vorurteilen zu begegnen ist der vlf Schweinfurt und der vlf Haßfurt in die Offensive gegangen. „Wie wäre es, wenn jede Woche eine Schulklasse einen Tag auf einen landwirtschaftlichen Betrieb kommt und dort Unterricht hat? Wie wäre es, wenn die Schüler Themen wie Nahrungsmittelerzeugung unter den gegenwärtigen Herausforderungen wie dem Klimawandel in einem Projekt selbstständig erarbeiten und ihren Lernstoff in Mathematik, Biologie oder Chemie auf diese Weise vermittelt bekommen, sie praktisch im Reallabor lernen?“ Diese Frage stellte Oliver Kunkel, Lehrer sowie Vorsitzender im Bayerischen Elternverband und Vorsitzender des Vereins „Wir gestalten Heimat“ bereits beim ersten Workshop in Schweinfurt. Klaudia Schwarz, Amtsleiterin in Schweinfurt und Geschäftsführerin der beiden vlfs hatte ihn von Anfang in die Planung eingebunden und fand die Idee interessant: „Wir haben in den letzten Jahren verschiedene Initiativen vorangebracht, in Bayern wurde das Projekt Erlebnis Bauernhof unlängst erweitert. Jetzt können Schüler einmal in der Grundschulzeit und einmal in der Sekundarstufe einen landwirtschaftlichen Betrieb besuchen. Doch die Idee von Herrn Kunkel ist hier etwas völlig Neues und anderes. Die Schüler lernen den Stoff anhand praktischer Fragestellungen und durch die Besuche auf den Betrieben entsteht ein völlig anderes Bild von Landwirtschaft, entsteht Kontakt und Beziehung zwischen Jugendlichen und Bäuerinnen und Bauern!“
Ein spannender Ansatz, doch standen anfangs auch Bedenken im Raum: Ist das überhaupt realistisch, wie könnte das funktionieren, wie könnte das umgesetzt werden? Um das herauszufinden luden die vlfs Schweinfurt und Haßfurt im Rahmen des Projekts ausgewählte Lehrer, Landwirte und Multiplikatoren zu einem Workshop ein. Hier wurden ganz gezielt Landwirte angesprochen, die Ausbildungserfahrung und pädagogisches Wissen haben, wie z.B. BGJ Meister und Erlebnisbäuerin-nen. Schnell wurde klar, dass allein dieser intensive Austausch neue Erkenntnisse brachte und alle ein gemeinsames Anliegen haben: Die Lehrer wollen sich auf eine völlig andere Art des Lehrens einlassen, nämlich anhand konkreter realistischer Fragestellung den Lernstoff vermitteln. Und die Landwirte und Bäuerinnen wollen zeigen, wie komplex der landwirtschaftliche Betrieb aufgebaut ist und welche Anstrengungen sie selbst unternehmen und sich diesem Thema der Transformation stellen. Unterstützt wurde die Veranstaltung auch von Annelie Bernhart von der Staatlichen Führungsakademie in Landshut, deren Aufgabe es ist, Unterrichtsmaterialien für Schulklassen bereitzustellen. Es entstand innerhalb kürzester Zeit eine konstruktive Arbeitsatmosphäre. Nach dem Kennenlernen und einem Rundgang auf dem Betrieb wurde die Idee „Lernen im RealLabor“ weiter gemeinsam entwickelt. Wie können die Besuche in den Schulalltag integriert werden, welche Voraussetzungen sollte der Betriebsleiter und der Betrieb mitbringen und welche Rolle haben die Lehrer? Vorstellbar ist, ein Betrieb, eine Klasse und Lehrkräfte bilden das „RealLabor“ mit seinem konkreten Jahresprojekt, das etwa 9 Monate zwischen November und Juli innerhalb eines Schuljahres umfasst. Unterstützen könnte gegebenenfalls ein Pate, der/die fachlich aus dem Themengebiet kommt, etwa ein Student, ein Pensionist, ein Meisterschüler, … .
Auch wurde überlegt, welche Themen geeignet sind, um auf diese Weise von Schülerinnen und Schülern bearbeitet zu werden. Hier fanden sich die unterschiedlichsten Themen: Von der Erfassung der betrieblichen Situation, dem Anlegen von Versuchsflächen, die unterschiedlich bearbeitet werden, über Versickerungsversuche und verschiedene Experimente während der Vegetationsperiode bis zur Planung einer Agroforst-Anlage. Von arbeitsteilig arbeitenden Arbeitsgruppen auf dem Betrieb bis zum Acker in der Stadt waren die unterschiedlichsten Ideen dabei.
Es wurde sehr schnell klar, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, die ein landwirtschaftlicher Betrieb als RealLabor bietet. Lehrer Oliver Kunkel steht mit seinem Projekt auch in Kontakt mit anderen Einrichtungen wie der Universität in Würzburg, dem Bayerischen Elternverband oder mit Bildung für Nachhaltige Entwicklung und hat das feste Ziel, einen Pilot mit 5 Klassen an Realschule oder Gymnasium im nächsten Schuljahr zu starten und anhand des Lehrplans konkrete Themen im „RealLabor Landwirtschaft“ zu vermitteln. Mit den Schulen, Lehrkräften und Betrieben, die ihre Bereitschaft bekundet haben, sollen jetzt die nächsten Schritte abgestimmt werden.
Dazu abschließend Klaudia Schwarz: „Wir waren eine kleine Gruppe von 10 Personen, die sich auf einem intensiven Austausch einließ. Im Rahmen des Projekts haben wir ein erstes Fundament gelegt, um Landwirtschaft und Schule in einen richtig guten und konstruktiven Austausch zu bringen. Wir bleiben an dem Thema dran und haben vor, diese Form der Kooperation zwischen Schule und Landwirtschaft und das Lernen auf dem Bauernhof in Zukunft zu verstetigen.“