Verband für landwirtschaftliche Fachbildung in Bayern e.V.

Die Organisation für Aus-, Fort- und Weiterbildung im Agrarbereich

Stadt trifft Praxis

Katharina Marbach unterwegs auf landwirtschaftlichen Betrieben

Durch einen Tippfehler bei meiner Google-Suche kam ich nach Freyung-Grafenau. Ich meinte eine E-Mail an einen Geflügelhof geschickt zu haben und bekam dann aber eine Antwort, die meine Erwartungen übertroffen hat. Ohne es zu bemerken, hatte ich den Vorsitzenden des vlf, Dr. Sebastian Pauli, kontaktiert.  Er erklärte sich bereit, mir dabei zu helfen und die Türen zu einigen landwirtschaftlichen Betrieben zu öffnen.

Während meines vierwöchigen Aufenthaltes hatte ich die Gelegenheit auf neun unterschiedliche Familien mit landwirtschaftlichen Betrieben zu treffen. Alle Familien hießen mich herzlich willkommen und ich wurde voll in deren Alltag integriert. Manche dieser Besuche wurden sehr spontan organisiert. Mein besonderer Dank geht hier an den Maschinenring Unterer Bayerischer Wald e.V. der für mich ein informelles Praktikum in einem Milchwirtschaftsbetrieb organisiert hat. Auf den Dörfern in Freyung-Grafenau ist mir aufgefallen, wie sehr die einzelnen Höfe in die Dorfgemeinschaft eingebunden sind.  Die Höfe sind oft so angelegt, dass die Ställe und Wohnräume der Menschen unter einem Dach liegen.

Die Dörfer sind klein, so dass eine regelmäßige Kommunikation zwischen den Landwirten und den anderen Gemeindemitgliedern besteht. Doch je größer das Dorf oder die Stadt, desto geringer die Kommunikation. Auch wenn landwirtschaftliche Betriebe das Umland der Städte bilden, entsteht doch eine Kluft zwischen der Land- und der Stadtbevölkerung. Zwar gehört die Landbevölkerung formell zur Gesamteinwohnerzahl, diese wird aber häufig als eigenständig eingestuft.

Eine „Wir“ gegen „Die“ Mentalität ist mir schnell aufgefallen. Sowohl die landwirtschaftliche als auch die nicht-landwirtschaftliche Bevölkerung teilt diese Denkweise.  Die Landwirte üben Protest gegen die Verbraucher und Politiker, und umgekehrt. Ein Beispiel: die Landwirte bezeichnen nur ihren Beruf als wirklich hart. Im nicht-landwirtschaftlichen Teil der Bevölkerung hält sich hartnäckig das Vorurteil Landwirte seien oftmals ungebildet und egoistisch. Die Landwirtschaft wird immer noch als einfach oder sogar primitiv empfunden. Dass dies die Landwirte zusätzlich frustriert ist mehr als nachvollziehbar. Ich selbst habe erlebt, dass ein Nicht-Landwirt mir empfahl, mein Interesse an der Landwirtschaft nicht weiter zu verfolgen und erklärte: „Du wirfst deine Erziehung, Intelligenz und Dein Leben weg.“

Historisch gesehen wurde die schwere landwirtschaftliche Arbeit tatsächlich von Bauern mit sehr niedrigem Bildungsniveau verrichtet. Aber das war einmal.  In der modernen Landwirtschaft geht es nicht mehr nur um harte körperliche Arbeit. Die heutige Landwirtschaft ist ein wichtiger Industriezweig in unserer Gesellschaft, der moderne Technologie mit vielseitigem Wissen kombiniert, um aus den geringsten Ressourcen den maximalen Ertrag zu erwirtschaften.  Bedenkt man dies, stellt sich unweigerlich die Frage warum diese Assoziation „Landwirtschaft wird von ärmlichen Bauern betrieben“ immer noch so weit verbreitet ist? Als ich über Agrarwirtschaft in meiner Muttersprache, Englisch, recherchierte, fand ich zum Beispiel in der Thesaurus-Funktion im Word Programm als Synonym für „Farmer“ das Wort „Peasant“. Peasant ist ein veraltetes Wort für „armer Bauer“ und ist im heutigen Gebrauch fast ausschließlich als Unhöflichkeit zu verstehen.

Leider war dieses Phänomen nicht auf den Bereich Freyung-Grafenau beschränkt.  Von dem Moment an, in dem ich mir dieser Assoziation bewusst wurde, bemerkte ich sie fast überall.  Auch kann ich mich selbst nicht davon freisprechen. Diese Vorurteile finden sich auch in meinem Unterbewusstsein. Rückblickend empfinde ich es so: In der Schule hatte ich eine einzige Begegnung mit der Landwirtschaft. Wir durften Kühe in einem Milchviehbetrieb streicheln. Im Geschichtsunterricht brachte man uns viel über die Vergangenheit und deren Einfluss auf die Gegenwart bei. Als es dabei um die Landwirtschaft ging, lehrte man uns über die Leibeigenschaft und die harte Knochenarbeit der Bauern damals, aber nichts über die bahnbrechenden Veränderungen die bis heute in der Landwirtschaft stattfanden. Im Wirtschaftsunterricht brachte man uns bei, dass die Landwirtschaft die Umwelt zerstört, anstatt sich um den Erhalt der Ökosysteme zu kümmern.

Moderne Landwirte müssen sich heutzutage immensen Herausforderungen stellen, z.B. ständig steigende Kosten und Preisdumping durch den Lebensmittelhandel. Diesen sollten sie sich nicht alleine stellen müssen! Ich meine, um den Kernpunkt dieser Problematik zu verstehen, müssten wir, als holistische Gesellschaft den Dialog eröffnen und wieder miteinander kommunizieren. Eine symbiotische Beziehung ist der einzig erfolgreiche Weg in die Zukunft und unsere Meinung und Vorurteile zu ändern muss der erste Schritt sein, um dies zu realisieren. Katharina Marbach

--- Katharina Marbach wurde in den USA geboren und lebte einen Großteil ihres Lebens in der nordfinnischen Stadt Oulu mit ihren deutschen Eltern. Seit ihrer Jungend interessiert sich Katharina für die Lebensmittelerzeugung. Ohne landwirtschaftlichen Hintergrund, aber mit einer großen Begeisterung startete Katharina eine Tour durch Europa, um aus erster Hand von Landwirten und landwirtschaftsnahen Betrieben diesen Wirtschaftszweig kennen zu lernen. Zurzeit studiert sie an der Universität von Amsterdam Wirtschaftswesen und versucht weiterhin Landwirte zu besuchen, um den Kern der Herausforderungen, die sich Landwirte stellen müssen, auf den Grund zu gehen. ---

Interview mit Katharina Marbach

Dr. Sebastian Pauli: Hallo Katharina, erstmal vielen Dank für Deinen Bericht. Du hast viele Eindrücke über die Landwirtschaft in unserem Landkreis gewinnen können und einige Heraus-forderungen gefunden. Wie denkst Du, dass diese gelöst werden können?

Katharina Marbach: Zunächst einmal sollten landwirtschaftliche Verbände und Landwirte versuchen über Schulen und Veranstaltungen auf die Gesellschaft zuzugehen. Landwirtschaftliche Themen sollten stärker in den Lehrplan eingebunden werden. Das ist aber ein langer Pro-zess. Daher sollte kurzfristig mit Schulen und Kindergärten kooperiert werden. Z.B. sollte mit allen Schularten ein Event organisiert werden: „Wie denkst Du, sieht die Lebensmittelproduktion aus?“ Besuche auf den Bauernhöfen wären natürlich wichtig, aber ich kann 100 % verstehen, dass das auch Risiken mit sich bringt, besonders mit Schülern, die fast keine Ahnung über Landwirtschaft haben.

Dr. Sebastian Pauli: Das hört sich schon gut an und hier sind wir Verbände tatsächlich schon aktiv! Mit „Lernen auf dem Bauernhof“ bieten viele landwirtschaftliche Betriebe den Schulen an, auf den Hof zu kommen und sich über die Landwirtschaft zu informieren. Der vlf engagiert sich z.B. auch auf Landesebene, wenn in Schul-büchern einseitige Darstellungen zur Landwirtschaft verbreitet werden. Außerdem gibt es Infoseiten von Landwirten, welche Fragen zur Landwirtschaft beantworten: Z.B. www.unsere-bauern.de in Bayern oder www.eure-landwirte.de in Niedersachsen. Mit der i.m.a. haben wir ein Portal auf dem sich Lehrer Informationsmaterial für den Unterricht teilweise kostenfrei herunterladen können (http://www.ima-agrar.de ).

Katharina Marbach: Wow, das hört sich ja gut an. Ich glaube, Leute zum Nachdenken zu bringen ist das Wichtigste. Ich stell mir das so vor, dass sie ihre Meinung (also meistens Vorurteile) laut sagen und dann zum Nachdenken gebracht werden sollen, woher diese Meinungen kommen. Ganz konkret: vom Fernsehen, vom Internet oder vielleicht aus Kinderbüchern? Apropos: Das im Text erwähnte Phänomen ist nicht auf Freyung-Grafenau beschränkt. Diese Mentalität war in jeder Region.

Dr. Sebastian Pauli: Ja, es gibt noch viel zu tun! Einen weiteren Schritt in diese Richtung haben unsere Verbände (BBV, vlf) vor Ort bereits gemacht. Wir haben uns mit dem Landesbeauftragten des BUND Richard Mergner und der Agrarreferentin Marion Ruppaner, sowie der Kreisgruppe des BUND unter Dr. Peter Meyer getroffen und über agrarpolitische Themen ausgetauscht. Meiner Meinung nach waren wir bei vielen Punkten gar nicht so weit auseinander. Hier möchte ich dranbleiben. Vielen Dank für das gute Gespräch! Ich hoffe, wir bleiben in Kontakt und können in Zukunft das eine oder andere zum Positiven verändern!

Katharina Marbach: Gerne! Ich freue mich auf unseren nächsten Austausch!